W. Eugene Smith ist einer der berühmtesten Fotografen seiner Zeit. Und einer der wichtigsten für das Hochglanz-Magazin „Life“. Wenn er dort auftaucht und mit dem Chefredakteur über neue Projekte spricht, verhält er sich überheblich und arrogant. Populär wurde Smith vor allem durch seine Fotos im Zweiten Weltkrieg.

Anfang der 70er Jahre ist Smith ein nervliches Wrack, der zu viel trinkt. Immer wieder kämpft er mit den wiederkehrenden Bildern des Kämpfens und des Sterbens, die nun schon mehr als 25 Jahre zurückliegen.

Als er von einer jungen Japanerin angesprochen wird er möge eine Fotoreportage machen über kranke und verkrüppelte Menschen in den Küstenorten um die Kleinstadt Minamata herum, ahnt Smith noch nicht, dass er die wichtigsten Fotos seiner Karriere erst noch machen wird. Auch von ‘Life‘ erhält Smith „grünes Licht“, in persona des Herausgebers Robert Hayes (Bill Nighy), zur Reise nach Ostasien, um den bisher unbewiesenen Vorwürfen um eine Chemie-fabrik im kleinen Ort Minamata auf der südlichen Insel Kyūshū.

Diese Reise veränderte sein Leben. Letztlich fand Eugene Smith in Japan mit der Aufdeckung und Veröffentlichung dieses Verbrechens an der Menschlichkeit seine eigene Erlösung. Trotz der schweren körperlichen Schäden, die ihm von brutalen Schlägern der Firma Chisso zugefügt wurden. Er blieb dort mehrere Jahre.

Eindringliches Porträt des Fotografen William Eugene Smith; geboren im Dezember 1918 in Wichita/Kansas. Bereits mit 15 Jahren machte er seine ersten Aufnahmen. Er studierte Fotografie und arbeitete dann als freier Foto-Journalist für Magazine wie Life, Coliers, Harper‘s Bazaar und The New York Times. Im Zweiten Weltkrieg verfolgte er zahlreiche Schlachten im Pazifik. So die Schlachten um Guam und Saipan, und er war auch bei der legendären Iwojima-Schlacht als ‘embedded jounalist‘ hautnah dabei. Er starb 59-jährig an den Folgen eines Schlaganfalls.

Sein berühmtes Foto „Walk to Paradise Garden“ mit zwei kleinen Kindern hängt heute in der Dauerausstellung „The Family of Man“. Seinerzeit initiiert im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) befindet sich diese Schau heute im luxemburgischen Schloss Clervaux.

Tomoko In Her Bath“ von William Eugene Smith gilt als eine der berühmtesten Fotografien aller Zeiten. Sie zeigt ein nacktes junges Mädchen, deren Körper missgestaltet ist. Sie liegt in den Armen ihrer Mutter, der Blick nach oben. Aufgenommen in Minamata, Japan. Es wurde das Titel-Bild der ‘Life‘-Ausgabe, die auch weitere Fotos über den Skandal des japanischen Chisso-Konzerns präsentierte. Dieser hatte ungeklärte quecksilberhaltige Abwässer ins Meer geleitet. Nach heutigen Schätzungen der japanischen Behörden erkrankten seinerzeit rund 17.000 Menschen. Der Verursacher Chisso weigerte sich lange Zeit sein Fehlverhalten zuzugeben.

Die ambivalente Figur des Fotografen Smith wird über alle Maßen perfekt interpretiert von Johnny Depp, dessen Ernsthaftigkeit für dieses Film-Projekt in jeder Einstellung spürbar ist. Nach längerer Zeit endlich wieder einmal eine sehr gut gespielte Darstellung von ihm. Neben Depp agiert die großartige Minami brillant.

Regie führte der junge Andrew Levitas; erst seine zweite Inszenierung nach Lullaby (2014). Er hat mit so wenig Erfahrung ein sehr starkes Werk vorgelegt! Außerdem wissen Kamera (Benoît Delhomme) und Schnitt (Nathan Nugent) zu überzeugen.

Der Film findet eine schöne Balance zwischen spannenden und ruhig erzählten Szenen. Er wurde ohne jegliche Übertreibung inszeniert und wirkt dadurch sehr authentisch. Aufschlussreich, erstaunlich und verstörend zugleich. Und wieder ein guter Film über die „Macht“ einer freien Presse. Zweifellos ein wichtiger Film.

5 ½ Sterne von 7 ★★★★★ ★/2

Walter George

Titel: „Minamata“

Herstellung: USA 2020

Premiere 21. Februar 2020 – Berlinale, Berlin

Länge: 115 Min.

Regie: Andrew Levitas

Darsteller: Johnny Depp, Bill Nighy, Minami, Hiroyuki Sanada, u.v.a.

Drehbuch: David Kessler, Andrew Levitas, Jason Forman, Stephen Deuters

Musik: Ryuichi Sakamoto

Kamera: Benoît Delhomme

Schnitt: Nathan Nugent